Was braucht es, um mit alten Gewohnheiten zu brechen? Warum uns dabei die Biologie einen Streich spielt, Willenskraft allein nicht ausreicht und wie wir uns selbst auf den Leim gehen.
"Ich weiß ganz genau was gut für mich wäre, nur müsste ich es tun."
Die meisten Menschen wissen sehr gut, was gut für sie wäre. Warum fällt die Umsetzung dennoch so schwer? Wer das Karussell der guten Vorsätze bestiegen hat, der weiß, dass Wissen allein nicht ausreicht, um ins TUN zu kommen.
Wenn wir uns verändern, verändert sich viel im Kopf.
Lernen, ob Neu- oder Umlernen, ist einfach ausgedrückt eine riesengroße Veränderung der Zusammensetzung unserer Körperchemie.
Lernen beruht auf der Bildung stabiler, miteinander verbundener neuronaler Netzwerke. Die Informationsübertragung zwischen den einzelnen Neuronen (Nervenzellen) verläuft über Synapsen, welche als zentrale Schaltstellen dienen.
Je öfter und regelmäßiger dieselben Schnittstellen genutzt werden, umso zuverlässiger können sie verinnerlicht und automatisiert werden.
Der Vorgang ist vergleichbar mit der Erschließung eines neuen Wanderweges (ohne GPS versteht sich).
Ein einmaliger Spaziergang hinterlässt kaum Spuren. Erst nach mehrmaligem Begehen wird nach und nach ein Pfad erkennbar. Aus dem Pfad wird ein Weg.
Aus dem Weg eine Straße... mit der Zeit vielleicht sogar eine Autobahn.
Ebenso verhält es sich mit den neuronalen Verbindungen im Kopf. Die Auswahl der Tätigkeiten, welche Tag für Tag wiederholt werden, hinterlegt in Ihrem Kopf eine Art Prioritätenliste. Nach dieser Liste entscheidet der Kopf, welche der zahlreichen Wege gepflegt werden müssen und zu Straßen ausgebaut werden sollen.
DIE WIEDERHOLUNG DESSEN
WAS SIE TAG FÜR TAG TUN,
GIBT DEM KOPF VOR,
WAS VORRANG HAT.
Dumm nur, dass wir den Mechanismus selten bewusst wahrnehmen.
DER FAKTOR ZEIT
Je nachdem, wie tief alte Gewohnheitspfade verankert und wie lange die "falschen" Wege begangen wurden, sorgt ein Veränderungswunsch zunächst für Verwirrung da Oben. "Wohin nun des Weges, wenn es die letzten 10 Jahre da lang ging?"
Es gilt alte Muster zu überschreiben und neue Gewohnheiten durch Übung und konsequente Wiederholung auszubauen und zu stärken.
Allein der Versuch des Zähneputzens mit der ungeübten Hand macht deutlich, wie sich Veränderung für den Kopf anfühlen muss: holperig, mühsam, zeitraubend, ungeschickt und einfach nervig.
MOMENT MAL ...
Ich lese aber häufig: "Du kannst alles sein, was Du willst" "Lebe jetzt Deine Vision" "Alles ist möglich" ...
Diese Versprechen basiert auf der unerschütterlichen Überzeugung "ICH SCHAFFE DAS". Wenn Sie ehrlich zu sich sind, werden Sie feststellen, dass Sie an dieser Überzeugung mit zunehmender Zeit zweifeln, weil sich Veränderung zu Beginn unbequem anfühlt. Falls Sie scheitern, hinterfragen Sie vermutlich eher selten Ihre individuellen Grundüberzeugungen, sondern zweifeln an sich selbst - als ganz Person. Resigniert greifen die Meisten zum nächsten Ratgeberbuch "Träume verwirklichen in 5 Tagen". Denn irgendwo da draußen müsste doch die Geheimformel versteckt sein, oder?
Wie Kreativität und Einfallsreichtum neue Vorsätze sabotieren können:
Kreativität und Einfallsreichtum sind wunderbare Eigenschaften. Wenn sich das geplante Vorhaben als schwieriger erweist als gedacht, besteht die Gefahr, dass Beide ihre Wirkungskraft konträr zu unseren Wünschen entfalten.
Aus dem Impuls heraus zu schützen was erwünscht, jedoch nicht vollkommen verinnerlicht wurde, beginnen Beide das Vorhaben gerne zu relativieren.
Sie produzieren möglichst logisch klingende und schlüssige Erklärungen dafür, warum das anvisierte Vorhaben vielleicht doch keine so tolle Idee ist,:
"Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, weil ..."
"Die Arbeit ist gerade so stressig, dass ich im Moment keinen freien Kopf bekomme ..."
"Ich habe keine Zeit dafür "
"Ich muss erst dies oder jeden regeln, dann..."
"Wenn ich darüber nachdenke ... so schlimm ist es eigentlich nicht"
"Ok. X oder Y hat es auch nicht geschafft. Ja dann ist es eh zu schwer ...."
"Vielleicht bin ich doch nicht der richtige Typ für ...."
"Ich glaube, die Idee war eh Panne..."
"Eigentlich finde ich den Optimierungszwang total doof ..."
"Und überhaupt - Muss ich mir das antun?"
Dieser clevere AUSREDEMECHANISMUS ist ein Versuch des Gehirns, sich möglichst bequem und energieschonend aus der Affäre zu ziehen. Es bedarf eines wachen Geistes, um den hinterlistigen Versuch rechtzeitig zu entlarven und einer klarer Haltung, um auf lange Sicht auf Kurs zu bleiben.
Ausreden liefern andererseits gute Hinweise, um dem Ursprungskonflikt auf die Schliche zu kommen. Dieser Vorgang ist menschlich und passiert gänzlich unbewusst.
WENN SIE BESCHLIESSEN,
ANDERS ZU HANDELN ALS BISHER GEWOHNT,
SCHAUEN SIE SICH IHRE AUSREDEN GENAUER AN.
Warum Wut und Ärger den Erfolg manipulieren können:
Wenn Rückschläge, Hindernisse, unerwartete Ergebnisse auftauchen, sind Wut und Ärger als Erstreaktion eher "normal". Zumindest im angemessenen Ausmaß nicht tragisch und als Ventil durchaus geeignet. Nach dem Motto: besser dem Ärger kurz Luft machen, notfalls besser, irgendwo "reinzubeißen", als ihn runter zu schlucken.
Schwierig wird es, wenn sich die Wut gegen Sie selbst richtet:
"Ich bekomme das einfach nicht hin!"
"Ich hasse mich dafür, kann es aber nicht lassen"
"Das schaffe ich nie!"
"Ich bin eine komplette Pfeife"
"Das bekomme ich nie hin"
"Alle Anderen schaffen es, nur ich bin zu blöd"
"Das wird nie was..."
"Jeder sieht, dass ich es nicht drauf habe"
Diese Form der Selbstmanipulation hat eine zerstörende Kraft. Beobachten Sie sich und fragen sich, ob Sie die Art und Weise Ihrer Selbstgespräche jemals einer anderen Person zumuten würden. Meistens lautet die Antwort: "Das würde ich nie tun. Das wäre der Situation nicht angemessen".
Zusätzlich sind Sie dabei, aus etwas ursprünglich "Gutem und Erstrebenwerten", etwas "Nerviges" und "Unangenehmes" zu machen.
ÄRGER ÜBER SICH SELBST IST DER SICHERSTE WEG, UM ALTE VERHALTENSMUSTER ZU AKTIVIEREN.
Beobachten Sie sich mit den Augen eines Freundes und schauen was passiert. Diese Erfahrung kann sprichwörtlich erleuchtend sein.
UND NUN? Was heißt das ganz konkret für meine Vorsätze?
Veränderung ist nicht ganz so einfach wie häufig versprochen.
Wir haben dennoch einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg: wir können für optimale Voraussetzungen sorgen, oder wir machen es uns so richtig schwer.
WAS DABEI HILFT,
NEUE GEWOHNHEITEN ZU ETABLIEREN
Sie brauchen wichtige Gründe für die es sich lohnt, lieb gewonnene Gewohnheiten aufzugeben. Ein WARUM zu finden ist nicht in jeder Situation einfach. Einen besseren Ansatz bietet die Frage WOFÜR?
Sie brauchen ZEIT und Wiederholungen. Geben Sie Ihrem Kopf die Gelegenheit all die neuen Pfade zu bauen. Das fällt uns besonders schwer, weil wir es gewohnt sind, dass beinah Alles schnell verfügbar ist. Machen Sie sich das bewusst und denken an Ihr WOFÜR.
Untersuchen Sie, ob das gewünschte Ziel mit Ihren bisherigen Überzeugungen vereinbar ist, damit Sie sich nicht unbewusst sabotieren. Beispiel: Solange Sie innerlich (oft heimlich) davon überzeugt sind , dass "Gelassenheit" nur Yogis, wenigen Begünstigten oder gar etwas für Esoterikfreaks ist, wird sie Ihnen immer entwischen. Weil sie nicht wirklich willkommen ist.
Über Bilder und Körpersprache erreichen wir das Unterbewusstsein, welches die gewünschte Veränderung sprichwörtlich zu verinnerlichen hilft. Das ist die beste Abkürzung, welche uns zur Verfügung steht. Also sollten wir sie klug nutzen.
Veränderung ist mit Druck mühsam und anstrengend. Druck wird inneren Gegendruck erzeugen. Daher: seien Sie gut zu sich selbst und freuen sich auf die Veränderung. Das ist der beste Anreiz, um auch dauerhaft am Ball zu bleiben.
Veränderung darf keine Strafe sein, sie braucht eine Aussicht auf Belohnung. Finden Sie die Ihre!
Wenn Sie Unterstützung auf dieser Reise brauchen, schreiben Sie mir.
Bis dahin:
weiterführende LINKS für Interessierte:
Wie Gehirn und Hormone Ihre Stressreaktion steuern. Dipl.-Psychologin Anne Frobeen, TK, 2020
Freude als Erfolgsfaktor, Neue Züricher Zeitung 2019
Nervenzellen im Gespräch, Gehirn Info, Prof. Dr. Hans-Dieter Hofmann, 2012
Wie das Gehirn entscheidet, Deutschlandfunkkultur, Matthias Eckoldt. 2017
"Der Geist ist kein Schiff, das man beladen kann, sondern ein Feuer, das man entfachen muss."
... das wusste bereits der griechische Historiker Plutarch.
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