Sie glauben, Rücksicht macht Sie zu einem besseren Menschen? Sie macht Sie vor allem unsichtbar und müde.
- Mirella Golesne
- 11. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 7 Tagen

„Das schaffe ich schon irgendwie.“ „Um Hilfe bitten geht nicht. Alle haben zu viel zu tun.“ „Andere müssten doch merken, dass ich komplett überlastet bin.“ Kommt Ihnen einer der Gedanken bekannt vor?
Vielleicht sind Sie jemand, der grundlegend Rücksicht auf andere nimmt, leise zwischen den Zeilen liest, einspringt wenn Not am Mann ist, der erledigt, was andere liegenlassen. Sie funktionieren. Sie geben. Sie kümmern sich.
Und irgendwann sind Sie einfach nur noch erschöpft und fühlen sich zudem komplett übersehen und allein mit Ihren Aufgaben.
Was in Ihrem Gehirn passiert, wenn Sie keine Grenzen setzen Wenn Sie immer wieder „Ja“ sagen, obwohl Sie innerlich längst „Nein“ fühlen, gerät Ihr System unter Druck. Und das nicht nur psychisch, sondern auch körperlich.

Da Ihr Gehirn auf Grenzverletzungen reagiert, als wären es Bedrohungen springt das emotionale Alarmsystem an und schlägt Alarm: „Achtung! Ich werde überfordert, überrollt!“ Der Körper schaltet um auf Notfallmodus: Kampf, Flucht oder innerer Rückzug. Bleibt dieser Zustand bestehen, entsteht Erschöpfung, ohne dass wir sie sofort mit fehlenden Grenzen in Verbindung bringen.
Woran erkennen Sie, dass Ihre Grenzen verschwimmen?
Sie sagen Ja, obwohl Sie Nein meinen – und ärgern sich danach.
Sie denken häufig: „Das hätte man mir doch anmerken müssen.“
Sie fühlen sich ausgelaugt nach Terminen, weil Sie ständig antizipieren, was andere brauchen.
Sie weichen in Gesprächen aus oder bleiben vage, um keinen Konflikt zu schüren.
Sie fühlen sich verantwortlich für das Wohlergehen anderer – beruflich wie privat.
Wenn Ihnen diese Punkte bekannt vorkommen, geht es nicht darum, Schuld zu suchen, sondern um Bewusstheit. Sie dürfen neu entscheiden, wie Sie mit sich selbst umgehen möchten.
Grenzen setzen, ohne schlechtes Gewissen
Viele Menschen zögern, Grenzen zu setzen, weil sie Angst haben, egoistisch zu wirken oder andere zu verletzen. Dabei sind Grenzen nichts anderes als Informationen.
Grenzen schaffen Vertrauen. Denn wer sich selbst treu bleibt, wird berechenbar für sich und andere. Menschen, die gelernt haben, ihre Grenzen auf eine wertschätzende Weise mitzuteilen, werden als verlässlich und authentisch erlebt. Sie wirken präsenter, greifbarer – und gleichzeitig leichter. Und ganz nebenbei: Sie werden auch seltener krank.
Müdigkeit ist oft keine Frage der Belastung, sondern fehlender Grenzen!
Was klare Kommunikation mit Ihren Grenzen zu tun hat
Vielleicht haben Sie es sich, bewusst oder unbewusst, angewöhnt, Ihre Anliegen vorsichtig zu formulieren. Manche tun dies aus Rücksicht, um niemanden zu überfordern oder in Verlegenheit zu bringen. Andere aus Unsicherheit, weil sie befürchten, abgelehnt oder missverstanden zu werden. Typische Formulierungen klingen dann etwa so:
„Ich wollte nur mal kurz fragen…“
„Ich weiß nicht, ob das jetzt passt, aber…“
„Ich dachte, eventuell wäre es möglich, dass…“
„Vielleicht könnten wir ja mal…“
Diese Formulierungen wirken höflich, aber sie lassen Spielraum. Und genau das führt häufig zu Missverständnissen. Denn das Gegenüber fragt sich:
Wie wichtig ist das gerade?
Muss ich reagieren – oder eher nicht?
Das Ergebnis: keine klare Reaktion. Kein echtes Echo.
Und bei Ihnen bleibt das Gefühl: „Ich habe es doch gesagt – warum passiert nichts?“
Viele Anliegen bleiben nicht aus Ignoranz, sondern Unklarheit unerfüllt. Es wurde nicht wirklich deutlich, was Sie brauchen, sondern vorsichtig angedeutet.
Konkrete Beispiele
Im Beruf
Sie sind überlastet, sagen aber: „Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen aussieht, aber ich bräuchte ein bisschen Unterstützung…“
Ihr Gegenüber versteht: „Es ist wohl im Moment viel zu tun, aber kein akuter Handlungsbedarf.“
Was Sie stattdessen sagen könnten:
„Ich komme aktuell an meine Grenze. Ich brauche Ihre Unterstüzung in Form einer klaren Priorisierung, damit ich effektiv weiterarbeiten kann.“
In der Beziehung
Statt: „Vielleicht könnten wir heute Abend auswärts essen gehen?“
Besser:
„Ich bin müde und ich möchte heute auswärts essen gehen. Mein Vorschlag lautet ... Bist Du dabei?“
Drei Mini-Übungen für den Alltag
1. Mini-Nein-Training
Sagen Sie einmal am Tag bewusst Nein – bei einer Situation, in der Sie sonst automatisch Ja gesagt hätten. Es geht nicht um große Konflikte, sondern um kleine, alltägliche Momente, in denen Sie sich selbst übergehen würden. Zum Beispiel: „Nein, ich möchte heute nicht mitkommen – ich brauche Ruhe.“
„Nein, ich trinke jetzt keinen weiteren Kaffee – mein Körper braucht Wasser.“ Beobachten Sie: Was fühlen Sie unmittelbar danach?
Wie reagiert Ihr Gegenüber?
Und: Was passiert in Ihrem Körper, wenn Sie sich selbst ernst nehmen?
2. „Was brauche ich wirklich?“ – Check-in
Nehmen Sie sich vor wichtigen Gesprächen, Treffen oder Aufgaben einen Moment für einen inneren Check-in. Fragen Sie sich: „Was ist mir heute wichtig?“
„Was möchte ich konkret ansprechen?“
Formulieren Sie Ihre Antworten innerlich .Oder teilen Sie sie, wenn es den Raum dafür gibt. So stärken Sie Ihre Selbstführung, bevor äußere Reize Sie bestimmen.
3. Satz-Training für klare Kommunikation
Starten Sie Ihre Aussagen einmal täglich bewusst mit einem aktiven, klaren Satzanfang:
„Ich empfehle…“
„Ich entscheide mich dafür…“
„Ich möchte heute…“
Es geht nicht darum, laut oder dominant zu sprechen.
Sondern darum, innerlich präsent zu sein.
Beobachten Sie:
Wie wirkt Ihre Sprache – auf andere und auf Sie selbst?
Grenzen sind keine Mauern – sie sind Türen mit Klingel
Sie dürfen entscheiden, wann sie offen sind, wann sie angelehnt bleiben und wann Sie sie schließen. Und Sie dürfen das sagen: klar, freundlich, auf Augenhöhe.
Sie möchten lernen, besser für sich einzustehen, klarer zu kommunizieren und Ihre mentale Gesundheit zu schützen?
Dann melden Sie sich gern für ein unverbindliches Kennenlerngespräch. Gemeinsam entwickeln wir Strategien, die zu Ihnen passen.
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